Hörmal!

testete in der Ausgabe 03/96 unsere Acousta 115

In den letzten Jahren haben Röhrenverstärker nicht nur eine Renaissance erlebt, wie wohl kaum eine "veraltete" Technologie zuvor. Die Entwicklung ist dabei auch noch zu Geräten hin verlaufen, die die Stärken und Schwächen dieser Technik auf die Spitze treiben. Unter dem Schlagwort Trioden-Verstärker sind einige Produkte auf den Markt gekommen, die dem Röhrenfreund ein Maximum an Wohlklang versprechen, die dafür aber auch mit eher lächerlichen Leistungsdaten auffahren. Ob nun "Röhrenwatt" mit "Transistorwatt" vergleichbar sind oder nicht, braucht an dieser Stelle nicht erörtert werden. Tatsache ist, daß uns auffällig viele Anfragen erreichen, die in diesem Zusammenhang auf besonders wirkungsgradstarke Lautsprecher abzielen.

100 dB bei 4 Watt!
Als unsere Aufgabe erschien es uns nun also, hier nach Lösungen zu suchen, die nicht nur laut, sondern auch eines angenehmen Klanges fähig sein sollten. Es ist kein Zufall, daß wir bei einem Hersteller fündig wurden, der seine Produkte im wesentlichen zu einer Zeit konzipiert hat, als HiFi-Verstärker mit einer Leistung von mehreren hundert Watt noch so etwas wie Privatraumschiffe waren. Die Treiber des englischen Traditionsherstellers LOWTHER zeichnen sich also fast von je her durch einen gewaltigen Wirkungsgrad aus.

Gemischte Gefühle
Es braucht nicht verschwiegen werden, daß uns bei den ersten Überlegungen in diese Richtung unsere bisherigen Erfahrungen mit LOWTHER-Lautsprecher etwas im Wege standen. Schön laut waren sie ja immer, und, da in sauber entwickelten Hörnern eingesetzt, konnten sie auch in der Dynamik eher begeistern als kalt lassen. Daß jedoch die Breitbänder-typische Bündelung den Hörer festnagelt, kann nicht als Vorteil empfunden werden. Daß selbst in der optimalen Abhörposition die Tonalität nichts mit wie auch immer gearteten Normvorgaben für Linearität zu tun hatte, hat dann letztlich diese "Kracher" immer mehr aus Top-Anlagen vertrieben, je preiswerter mit leiseren, aber auch unproblematischeren Boxen die gewünschten Pegel erreicht werden konnten.

Heilende Hände
Erst ein Besuch beim deutschen Lowther-Vertieb der Firma AUDIO TECHNIK in Bad Salzuflen, öffnete also diesen Lautsprechern wieder die Tür der HÖRMAL!-Redaktion. Hier sahen wir nämlich erstaunliches: In Reih und Glied lagen die Einzelteile etlicher Chassis zwischen Mikroskopen, Feinwerkzeugen und modifizierten, bzw. weiterentwickelten Membranen. Hatte Lowther die Endmomtage nach Deutschland verlegt? Die Antwort gab der Inhaber von AUDIO TECHNIK, Herr Kirchhoff, dankenswert unbefangen: die Serienstreuungen aus der Originalproduktion entsprechen ebenso wenig seinen Vorstellungen und denen seiner Kunden, wie die Weiterentwicklung der Produkte dies in den letzten Jahren getan hatte. Konsequenz daraus war zum einen, daß in Bad Salzuflen neue Membranen entwickelt wurden, deren Vorteile dann in die Fertigung in England einflossen. Zum anderen wird jedes Chassis bei AUDIO TECHNIK auseinandergenommen, überprüft und in der Neumontage optimiert. In diesem Zusammenspiel sind nunmehr Chassis entstanden, die den entsprechenden Lowther-Treibern von vor 10 Jahren himmelweit überlegen sind und die zudem eine gewisse Seltenheit auszeichnet, da sie in dieser Qualität nur aus Bad Salzuflen, bzw. über den von dort belieferten Fachhandel zu erhalten sind.

Grundsätzlich
unterscheidet einen solchen Lautsprecher schon einiges von heute gewohntem. Äußerlich sofort auffällig ist die weiße Papiermembran, in der ein Hochtonkegel eingeklebt ist, der ungewöhnlich lang ausgebildet ist, wenn man ihn mit anderen solchen Konstruktionen, z.B. von Fostex, vergleicht. Die Stabilität dieses Kegels wird durch einen aufwendigen sternförmigen Kranz erreicht, der innen hineingeklebt ist. Im Zentrum der Membran ist auf dem Polkern ein sogenannter Phaseplug montiert, der, je nach Typ kegel- oder birnenförmig gestaltet, auf das Abstrahlverhalten im Hochtonbereich Einfluß nimmt. Nicht sichtbar, aber im eigentlichen Sinne mitten im Geschehen finden wir die Schwingspule. Dieses kleine Meisterwerk ist derzeit eine unseres Wissens einzigartige Konstruktion: auf dem Träger ist die Spule sowohl innen als auch außen aufgewickelt, was der Schwingspule nicht nur eine besonders hohe Formstabilität verleiht, sondern auch eine optimale Kraftübertragung des Magnetfeldes auf die Membranbewegungen erlaubt. Dieses Magnetfeld wiederum entsteht in einem so engen Luftspalt, daß der magnetische Fluß hier geradezu gigantische Ausmaße annimmt. Beim PM 2a immerhin 2,4 Tesla (zum Vergleich: TIW 360 von Visaton: 1,06 Tesla). Die Polplatte fällt dicker aus, als die Schwingspule lang ist; somit haben wir es mit einer Unterhangschwingspule zu tun, die bei einem eher kleinen maximalen Hub allerdings nahezu optimal symmetrisch angetrieben wird. Die Begrenzung des linearen Hubes stellt hier kein Problem dar, sondern steht im Zusammenhang mit dem grundsätzlich erfolgenden Einsatz eines LOWTHER-Treibers in Hörnern.

Das ewige LAUTsprecher-Prinzip
Ohne Übertreibung kann man wohl feststellen, daß die Bündelung des Schalls zur Lautstärkesteigerung ein uraltes Verfahren ist. Schon lange vor der Entwicklung auch der ersten Instrumente werden Menschen schon die Hände vor dem Mund zusammengelegt haben, um sich etwas zuzurufen. Neben der Bündelung des Schalls und der damit einhergehenden Schalldrucksteigerung haben Hörner bei korrekter Gestaltung aber auch noch eine andere Wirkung: durch eine sog. Flächentransformation schwingt die riesige Luftfläche an der Hornöffnung mit nahezu der gleichen Amplitude wie die antreibende Membran. Dies bedeutet andersherum, daß schon bei extrem geringen Auslenkungen des Lautsprechers sagenhaft hohe Pegel bei tiefen Tönen erreicht werden können, soweit diese Frequenzen vom Horneffekt noch erfaßt werden. Nachteile sind, daß in Hörnern durch Reflektionen leicht ungewollte Interferenzen und somit Verfärbungen auftreten und daß für die Wirksamkeit bei wirklich tiefen Tönen ausgesprochen große Hornkonstruktionen erforderlich sind. Die Entwicklung eines HiFi-tauglichen Hornes ist als durchaus aufwendiges und kompliziertes Unterfangen zu verstehen. Nicht zuletzt deshalb sind die meisten erfolgreichen Hörner im Prinzip jahrzehntealte Konstruktionen, die teilweise durch mehrere Entwickler nach und nach optimiert wurden.

Die ACOUSTA
Dieses Horn ist eines mit noch wohnraumtauglichen Abmessungen, das dabei eine nicht endlos tiefe aber durchaus druckvolle Wiedergabe verspricht. An dieser Stelle muß allerdings daraufhingewiesen werden, daß auch im Baßbereich der Wohlklang des hier vorgestellten Lautsprechers mit einer optimalen Aufstellung steht oder fällt! Grundsätzlich kann die ACOUSTA eher etwas freier aufgestellt werden, als viele andere Hörner, die nur in den Raumecken ein akzeptables Tieftonfundament zuwege bringen. Die breite Schallwand wäre bei konventionellen Lautsprechern ein echter Patzer, fällt aber natürlich mit ihrem Bündelungsverhalten bei einem ca. 20 cm Breitbänder nicht ins Gewicht. Wie alle HiFi-Breitbandhörner ist die ACOUSTA ein "backloaded"-Horn, d.h. der rückwertig abgestrahlte Schall der Membran wird durch das Horn und richtig plaziertes Dämm-material im Mittelhochtonbereich bedämpft und im Baßbereich über die obenbeschriebene Flächentransformation dem direkt abgestrahlten Frequenzband hinzugefügt. Dadurch bleiben die Störungen durch Interferenzen im Horn minimal.

Der Aufbau
Hörner sind für den Lautsprecherselbstbau etwas ganz besonderes. Auf der einen Seite stellen sie eine besonders hohe Herausforderung an den Heimwerker dar. Dies gilt gerade im Vergleich zu den ansonsten möglichst einfach gehaltenen HÖRMAL!-Bauvorschlägen. Auf der anderen Seite kommt man nur über den Selbstbau zu gerade noch bezahlbaren Hornkonstruktionen, da deren Gehäuse sich einer industriellen Mengenfertigung vollkommen entziehen. Fertighörner tendieren preislich demzufolge immer stark in Richtung fünfstelliger Beträge und machen den -zugegeben schwierigen- Selbstbau somit zu einer trotzdem phänomenal lohnenden Angelegenheit.

So klingt es:
Am einfachsten läßt sich eine optimale Aufstellung in Ihrem Raum mit zwei Helfern herausfinden. Im Rahmen der Möglichkeiten sollten die beiden Gehäuse im gleichschenkligen Dreieck zum Sitzplatz solange verschoben werden, bis sich eine angenehm voluminöse Baßwiedergabe einstellt. Ein zuwenig an Präzision dürfte dabei kaum passieren, die Dynamik eines vernünftigen Hornes kann von keinem anderen Lautsprecherprinzip erreicht werden. Richten Sie dabei der Einfachheit halber die Treiber ersteinmal genau auf sich aus. Wenn möglich kann auch eine Veränderung des Hörplatzes natürlich noch Verbesserungen bringen. Ist diese Grundaufstellung gefunden, werden die ACOUSTA in aller Regel ein wenig aufdringlich klingen und zum Beispiel Stimmen eine unangemessene Härte verleihen. Die Lautsprecher sollten jetzt beide gleichzeitig langsam nach außen gedreht werden, bis sich eine angenehme Tonalität einstellt. Wenn Sie die Achsen der Treiber zu weit von sich weg richten, werden Sie feststellen, daß das Klangbild zwischen den Boxen zerreißt und sich keine vernünftige Ortbarkeit der Phantomquellen mehr ergibt. Ist eine gute Aufstellung gefunden, konnten wir außer der dann optimalen Hörposition genau in der Mitte durchaus eine vernünftige Klangqualität auch für zwei nebeneinander sitzende Hörer ausmachen. Dies ist eindeutig nicht selbstverständlich für Fullrange-Treiber. Der Klang der ACOUSTA mit dem PM 6a von Herrn Kirchhoff läßt sich tonal durchaus mit guten Mehrwegkombinationen vergleichen. Alle Instrumente und Stimmen haben die richtige Klangfarbe und besondere Auffälligkeiten stellen sich hier nicht ein. Grundsätzlich kann das Klangbild als hell beschrieben werden, wobei die Feinzeichnung im Höchsttonbereich eindeutig überrascht, wenn man die Größe des Chassis bedenkt. Gravierende Unterschiede ergeben sich in einigen anderen Dimensionen der Wiedergabe: Die Impulsivität mit der sowohl pegelstarke Attacken als auch feine Hintergrunddetails reproduziert werden und die daraus resultierende Vorstellung räumlicher Verhältnisse wird bestenfalls von absoluten Top-Lautsprechern erreicht, die dann aber meist auch größer und vor allem mehrfach teurer sind. Die praktisch nicht vorhandenen Membranauslenkungen können somit auch kaum Verschleifungen zwischen lautereren und leiseren sowie tiefer- und höherfrequenten Signalanteilen verursachen. Ähnliches leisten nur wenige Drei- und Vierweganordnungen, die dann aber natürlich vertikal eine deutlich größere Ausdehnung der abstrahlenden Fläche aufweisen. Dafür verhalten sich solche Systeme allerdings erheblich unkritischer in der horizontalen Abstrahlung.

Zusammenfassend kann man sagen, daß angesichts des Wirkungsgrades der ACOUSTA auch schon mit dem kleinen Lowther hier eine wirklich überzeugende Leistung geboten wurde. Wer wenig Verstärker-"Puste" zur Verfügung hat und bereit ist, zum Musikhören auf seinem Platz zu bleiben, findet in diesem Lautsprecher einen absolut empfehlenswerten Spielpartner, der sich von einigen Schwächen seiner Vorgänger erfreulich deutlich verabschiedet hat. Wer über einen eher normalen Verstärker verfügt, könnte ganz massiv überrascht werden, welcher Dynamikumfang hier mit einem erträglich großen Lautsprecher für letztlich nicht einmal 1000,– (incl. Holz) bei guter Tonalität möglich ist.