Wer einen Lowther-Breitbänder besitzt, muss stark sein: Täglich neuem Spott
trotzen, die Schmähungen zahlloser Besserwisser ertragen. Dennoch gewinnt das
uralte Bauprinzip neue, glühende Verehrer. Der Autor wollte wissen, warum- und
fing selbst Feuer.
Als meine Lowther entwickelt wurden, gab's noch keinen Pop; drum klingen die
nur mit Jazz und Klassik richtig gut. "Soso, dann lass mal hören, haste 'Dead
Can Dance' da?" "Klar, hörst Du den Bass?" "Den was?" "Na, den
Bass!" "Nö, eigentlich nicht." "Der kommt einfach tierisch gut." "Tatsächlich?"
Etwa diesen Verlauf nahm vor einigen Jahren mein erstes Gespräch mit einem
Lowther-Besitzer. Er stellte obskure Thesen über die Qualitäten seiner
Lautsprecher auf, schwärmte von Klangzauber, der meinen Ohren verborgen bleibe
(Bass...), und stellte sich auch noch auf den verhassten "Pop ist doof"-Sockel.
Ich steckte ihn in meine für derartige Erscheinungen reservierte Schublade "HiFi-Psychopath".
Ein allerletzter Zweifel allerdings blieb, ein Eindruck, der das reibungslose
Schließen jener Schublade verhinderte: Die Stimmwiedergabe der Lowthers - sie
besaß Leichtigkeit und Schwung, wie ich es bei Mehrwege-Boxen bis dato nie
erlebt hatte. Okay, sagte ich mir, das mit den Stimmen war klasse, aber sonst
war der Klang fragwürdig ausgezehrt und dünn - unterm Strich ganz klares
Psychopathen-HiFi.
Bereits auf ganz anderem Niveau spielte vor zwei Jahren auf unser aller
Fetischmesse, der High End, das skulpturartige und zimmerhohe, mit einem
Lowther-Treiber bestückte Carfrae-Horn. Es agierte ziemlich lebendig, vor allem
aber räumte es meine Vorbehalte bezüglich der Lowther-Tonalität aus. Auch die
Carfrae war nicht eben ein Vorzeige-Bassmonster, vermittelte dafür aber recht
überzeugend die Vorteile von Einweg-Systemen.
Auf der diesjährigen Messe (die mir übrigens in der Vorführmusik-Auswahl
eindeutig zu altherrenblueslastig war) gehörten zu meinen persönlichen
Favoriten dann schon gleich drei Breitband-Boxen. So tönte ein Jordan-Treiber
bei 47 Laboratories mit Macht auf den Hotelflur hinaus, und Black Forest Audio
ließ es beeindruckend mit Fertin-Breitbändern krachen. Der Dritte im Bunde war
das Lowther-bestückte Beauhorn, über das Elliott Smiths Stimme von seiner
gleichnamigen Platte ungekannt facetten- und klangfarbenreich tönte. "Also
scheint's doch zu funktionieren mit dem Lowther-Zeug", dachte ich mir, und als
sich dann die Gelegenheit bot, eine Lowther-Box zu testen, meldete ich Interesse
an.
Der Ursprung dieser Marke liegt in den 30er Jahren, als ein gewisser P.A.G.H.
Voigt das Doppelkonusprinzip patentieren ließ. Lowther ist dieser Bauform bis
heute treu geblieben; es wurden im Lauf der Jahrzehnte ungezählte Gehäuse für
Lowther-Chassis entworfen und umgekehrt viele verschiedene Chassis für
gelungene Gehäusekonstruktionen entwickelt. Die technischen Grundlagen dieser
handgefertigten Treiber sind ähnlich - leichte Papiermembranen mit
Hochtonkegel, teils bizarr geformte Phaseplugs, starke Magneten, geringer
Maximalhub (±1 mm). Sie variieren in ihren technischen Parametern sowie in der
Art des Magnetmaterials: Neben klassischen Ferrit- (C-Serie) und ultrakompakten
Seltenerdmagneten (DX-Serie) genießen die Alnicos der A-Modelle bei Fans fast
schon kultische Verehrung.
Experimentieren erlaubt: Die Lowther wird in der Standard-Version mit einem
DX-2-Treiber (links außen) ausgeliefert. Er ist eine neue Konstruktion mit
Neodym-Magnet. Daneben der Alnico PM6A (Mitte) sowie das alternative Chassis von
AER.
Die hier getestete Acousta 115 ist nach unseren HiFi-Begriffen schon beinahe
ein Dinosaurier; ihre Konstruktion reicht in die 50er Jahre zurück. Ihre
altmodischen Proportionen (breiter als tief) haben aber wenig mit der damaligen
Mode zu tun - die breite Schallwand gibt vielmehr dem Chassis im
Mitteltonbereich Unterstützung. Tiefton liefert ein gefaltetes Basshorn mit 1,8
Metern Länge. Das Gehäuse der Acousta lässt der deutsche Vertrieb anfertigen;
nur nervenstarke Holzwürmer sollten versuchen, es selbst zu zimmern.
Schon die
lange Historie dieser Konstruktion legte es nahe, beim Test verschiedene Chassis
in der Acousta 115 auszuprobieren. So kam mit dem AER-Treiber zunächst ein
moderner Lowther-Nachbau aus deutschen Landen zum Einsatz, der breitbandiger
(sic!) und präziser als die englischen Originale spielen soll. Leistung
lieferten diverse Röhrenverstärker, allen voran der superbe Musiqa von More
Fidelity sowie der absurd günstige kleine Spark Vollverstärker. Als
MM-Phonostufe diente die bewährt farbig spielende MAC von Tube Technology mit
einem MC-Übertrager von Auditorium 23; ein EMT-Plattenspieler lieferte die
Signale. Als Boxenkabel dienten die erstklassigen, mit 1500 Mark pro Stereometer
leider teuren Audio-Note-Silberlinge AN-SPe.
In der Startkombination stellte
sich ein leicht feindseliges Klangbild ein. Wie ein böser Zwerg fistelte uns
die Acousta an. Zwar spielte sie äußerst flink und löste in den oberen Mitten
und Höhen enorm fein auf; sie hielt sich aber im restlichen Frequenzspektrum zu
sehr zurück. Stimmen klangen entfernt und ohne Körper, sodass die alten
Vorurteile vom anämischen Lowther-Klang in mir aufkeimten.
Schnell war wieder
der serienmäßige, mit einem Neodym-Magneten bestückte DX-2-Treiber montiert,
den Lowther seit 1997 baut. Und siehe da - die ersten Töne klangen gleich
versöhnlicher. Der DX-2 ergänzte die (bereits mit AER-Bestückung vorhandene)
Schnelligkeit um Körper und Farbe. Die Stimmwiedergabe stand nun im rechten
Verhältnis zum restlichen Geschehen. Der böse Fistelzwerg war somit
verscheucht, es klang nun einladend und - involvierend! Auf dem wunderbaren
Album "Nafas" von Rabih Abu-Khalil (ECM) forderte die solo einsetzende
Flöte meine ganze Aufmerksamkeit: "Hör mir zu, ich werde nur für Dich
gespielt." Als die Rahmentrommel einsetzte und das klagende Flötenspiel
intensiver wurde, fühlte ich mich dieser kargen, scheinbar mitten aus der Geröllwüste
kommenden Musik so nahe wie noch nie. Den Abu-Khalil muss ich Ralf vorspielen,
dachte ich mir. Der Besitzer eines wahrlich großen Hornsystems staunte nicht schlecht, als
Oud-Fex Abu-Khalil und seine Mannen dann auch für ihn musizierten: "Das tut ziemlich gut - aber was meinst Du, was erst
passiert, wenn Du den Alnico PM6A reinhängst, für den die Acousta ursprünglich
konstruiert wurde!" Wir wechselten die
Chassis, und noch einmal Abu-Khalil. Erst Flöte, dann Rahmentrommel. Wir
schauten uns an. "Jetzt wird's ernst", sagte ich - Ralf kicherte und
meinte nur: "Au weia."
Das, was wir jetzt hörten, hatte ich wirklich
nicht erwartet. Im Grundton hatte die Wiedergabe weiter an Kraft gewonnen; der
Klang der Flöte schien noch stärker auf den eigentlichen Ton als auf
begleitende Luftströmungsgeräusche fokussiert zu sein, und die Rahmentrommel
tönte noch beherzter, hatte nun noch mehr Körper und Wucht. Weniger
Auflösung? Mag sein. Das DX-2 lieferte oben raus mehr Details und bot in diesem
Bereich auch ein wenig mehr Dynamik. Aber dieses Mehr an Information erschwerte
den Zugang zur Musik eher - die Wiedergabe wirkte vergleichsweise nervös. Was
nicht falsch verstanden werden soll: In Sachen Timing und Spannung standen sich
die beiden Chassis in nichts nach. Der Zugang zur Musik schien mir aber via PM6A
selbstverständlicher.
In einer sorgfältig abgestimmten Kette gewährte die
Acousta einen extrem direkten Weg zur Musik, der selbst Skeptiker wie mich
überzeugte. Das technisch-naturwissenschaftliche HiFi-Gewissen mag sich dagegen
wehren - doch die Musik sagte mit jeder Stunde lauter: "Komm mit!"
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